[Quelle: Handbuch "Wissenswertes über Niederquembach" von Werner Wenzel, 1980]
Wie alt Niederquembach selbst ist, läßt sich nicht exakt feststellen,
Bis zum Jahre 1603 wird es wohl nur vereinzelte Gehöfte gegeben
haben, die alle einer verheerenden Feuersbrunst im Jahre 1599
zum Opfer gefallen sein dürften. Sicherlich steht die heutige
Kirche wohl auf den Grundmauern einer bis zum Jahre 1599 Art Wehr-
kirche, in die sich die Menschen der naheren Umgebung bei Gefahr
zurückzogen, in der sie wohl aber auch die Anliegen besprachen
und regelten, die von gemeinschaftlichem Interesse -waren.
Das Quembacher Tal hat bis zum Jahre 1436 zum Hause Solms, von da
ab zu der Bernhardinischen Linie der Braunfelser Grafen gehört.
In einem Rechtsstreit zwischen den Rittern von Biel und dem Kloster
Altenberg im Jahre 1280 ist ein Zeuge aufgetreten, der aus dem
Quembachtal gestammt haben muß. Da es zu dieser Zeit in Oberquembach
ein Gericht gab, nimmt man an, daß dieser Zeuge, Bilkwin hieß er,
auch im oberen Quembachtal beheimatet war. Zu diesem Oberquembacher
Gericht des Mittelalters gehörten die Siedlungen auf den Anhöhen
am Rande des Quembachtales, Naubom, Laufdorf, Ober- und Niederwetz,
Griedelbach, Kröffelbach, Kraftsolms, Neukirchen, Schwalbach,
Bonbaden und seltsamerveise auch Albshausen sowie die ausgestorbenen
Dörfer Meilbach, Merynshausen und Immenhausen (vielleicht hieß
diese Siedlung auch Immenhain) , -wie es im Kirchenbuch der Pfarrei
Oberquembach niedergeschrieben steht. Wo das ausgestorbene Dorf
Meilbach genau gelegen haben wird, ist umstritten.
Möglich ist
durchaus, daß es am oberen Ende der "Siwedell", also zwischen
Niederquembach und Niederwetz bestanden hat. Es wird auch vermutet,
daß auf der "Bernsedd" (Bernstatt) in Richtung "Äggerbäeg" eine
frühe Ansiedlung unterhalten worden sein wird. Schlüssige Beweise,
insbesondere Mauerreste, wurden jedoch nicht gefunden. Aus den
Erzählungen der Alten wird die Möglichkeit erklärt, daß Mauerreste
dieser alten Siedlung auf der Bernstatt bei der Bestellung der Äcker
gesammelt und kurzerhand für den Bau der Häuser im Tal genutzt
wurden, eine Praxis, die ja aus anderen Berichten über den Bau
von Siedlungen verschiedenster Art bekannt ist.
In der Chronik der Pfarrei Oberquembach ist festgehalten; "Die
Siedlungen im Quembachtal haben seit ältester Zeit durch Kriegs-
ereignisse sehr gelitten, vornehmlich durch die Spanier und
kaiserlichen Kriegsvölker im 30jährigen Krieg und die Franzosen
in den Jahren 1672, l675, l688. In diesem letztgenannten Jahre 1688
wurde Oberquembach rein ausgeplündert. Ebenso brachten der
Siebenjährige Krieg (l756 - 1763) sowie die republikanischen
und die napoleonischen Kriege viele Drangsale und nachhaltige
Schulden". Die Menschen aus dem Quembachtal gehören seit dem
Jahre 1556, als Philipp von Solms-Braunfels zum lutherischen
Bekenntnis übertrat, der evangelischen Kirche an.
Um 1603 gehören
Oberquembach zum Kirchspiel Oberwetz und Niederquembach zu Kraftsolms.
In diesem Zusammenhang "werden urkundlich die beiden Orte getrennt
genannt, so daß nicht zuletzt auch deswegen diese Zeit als
Beginn des eigenständigen Gemeindelebens der Niederquembacher
nennen zu müssen meine. Dem steht auch nicht entgegen, daß schon 1455
das Valburgisstift zu Weilburg einen Zehnten im unteren Quembachtal
besaß und somit vielleicht schon zu dieser Zeit die wenigen Gehöfte,
die 1599 abgebrannt sind, im heutigen Niederquembach bestanden,
jedoch Vervaltungstechnisch, wie man heute sagen würde, zu dem
Dorf im oberen Teil des Tales gehört haben. Die evangelischen
Pfarrer wurden übrigens im Jahre 1626 sowohl aus Oberwetz als
auch aus Kraftsolms von den Spaniern vertrieben. Sie konnten erst
im Jahre 1632 mit den Schveden wieder zurückkehren. Auch daß
Oberquembach und Niederquembach in einer Urkunde von 1314 zum
ersten Mal unterschieden werden, braucht nicht unbedingt zu dem
Schluss zu führen, dass Niederquembach als Dorf vor 1603 bestanden
haben muss. Sicher ist jedoch, daß Oberquembach vesentlich älter
als Niederquembach ist. Die alten Fernstraßen führten näher an
Oberquembach vorbei, und sicherlich haben die Oberquembacher als
Fuhrleute daraus Nutzen gezogen.
Eine Urkunde von 1350 erwähnt
bereits die "Wetzlarer Straße", jenen alten Fernweg von Wetzlar
an Schwalbach vorbei über Oberquembach nach Kröffelbach und weiter
über Grävenwiesbach und Usingen nach Frankfurt. Auf diesem Weg
zogen die Wetzlarer zweimal im Jahr mit einer langen Wagenschlange
zur Fasten- und Herbstmesse unter dem Geleit nassauischer Reiter
nach Frankfurt; aber auch ohne Geleit war diese Straße belebt
von einzelfahrenden Karren und Wagen. Südlich führte eine ebenso
wichtige Straße vorüber, um 1350 "Heerstraße", später "Hessen"-
oder "Rheinfeiser-"Straße genannt, weil sie vom Gießener Becken
her über den Köhlerberg, an Kraftsolms vorbei und über Weilmünster,
den goldenen Grund bis nach St. Goarshausen führte.
Die Obcrquembacher haben sicherlich durch Fuhr- und Vorspanndienste
ein Zubrot verdient. Vielerlei gab es bei den Durchreisenden aber
auch zu sehen und zu hören. Die Nähe dieser Fernstraßen hat dem
Quembachtal aber auch das Unheil kriegerischer Durchzüge und
Bedrängungen öfter und nachhaltiger gebracht als abgelegenen Orten,
wie es in der Kirchenchronik nachzulesen ist.
Urkundlich ist der
Ortsname "Quenenbach" zuerst in einer zwischen 1259 und 1267
ausgestellten Urkunde genannt, es wird angenommen, dass es sich dabei
um Oberquembach gehandelt haben muss. Strittig ist aber, woher der
Name "Quembach" stammt. Es ist durchaus möglich, dass es sich um ein
vorgermanisches Wort handelt, -weil die Germanen, als sie die
Kelten vertrieben, vielfach Gewässer und Bergnamen übernommen und
sich mundgerecht gemacht haben. Es ist aber auch möglich, dass der
Name von dem altdeutschen Wort "Quene" = Frau oder von dem
westfälischen "Quene" = Rind abgeleitet worden ist.
Gut ist es den Quembachern bis ins 20. Jahrhundert hinein nie
gegangen, denn der karge Boden konnte keine guten Ernten erbringen.
So mußten sie sich nach anderen Erwerbsquellen umsehen. Sie suchten
sich Beschäftigung als Zimmermann, als Köhler, vor allem aber auch
als Bergleute in den Eisenerzgruben der umliegenden Gemeinden;
in der "Haselheck" gab es auch eine Waldschmiede, in der wohl auch
der eine oder andere gearbeitet haben mag. Um die Jahrhundertwende
lebten daher auch nur rund 244 Bürger in Niederquembach, und aus
vielen Familien wanderten junge Menschen nach Amerika aus. Genannt
seien die Familien Liebrich und Desch. Für einen stürmischen
Aufschwung sorgten im 20. Jahrhundert dann allerdings zwei Ereignisse.
Der Bau der Solmsbachtalbahn in den Jahren 1908 - 1911 - die
Strecke wurde 1912 dem Verkehr übergeben - gab den Quembachern
Gelegenheit, nunmehr auch weiter entfernt gelegene Arbeitsstellen
anzunehmen. Insbesondere in der aufblühenden Kreisstadt Wetzlar
fanden viele einen Arbeitsplatz, aber auch in den leder- und holz-
verarbeitenden Betrieben in Brandoberndorf sowie in verschiedenen
Unternehmen talabwärts. Die kleinbäuerlichen Betriebe, die im
wesentlichen von den Frauen bzw. nach Feierabend als Nebenbeschäftigung
von den Männern versorgt wurden, bildeten seit dieser
Zeit eine gesunde Lebensgrundlage. Das in der Wetzlarer Industrie
und den Betrieben im Solmsbachtal verdiente Geld dagegen wurde
zur Modernisierung der Anwesen und zu einer, wenn auch bescheidenen
Kapitalbildung, verwandt.
Einen weiteren, entscheidenden Aufschwung
erlebten die Bürger dann nach dem zweiten Weltkrieg, als es galt,
die aus der Donau-Theiß-Ebene vertriebenen Donauschwaben einzugliedern.
Wer dabei nur an die materiellen Impulse denkt, die mit der
Notwendigkeit zur Schaffung von Wohnraum und Verdienstmöglichkeiten
verbunden sind, der sieht nur den einen Teil der damals zu lösenden
Probleme. Ebenso bedeutsam für die Entwicklung der Gemeinde war
darüber hinaus das Austauschen, das Vermischen, das Entwickeln
der bis dahin verschiedenartigen, jedoch aus gleichem urdeutschen
Ursprung stammenden kulturellen, geistigen, religiösen und
ethischen Eigenständigkeiten. Vor allem das handwerkliche Geschick
der Neubürger erregte Beachtung, während die Improvisationsfähigkeiten
und das weitoffene, für alle Neuerungen aufgeschlossene
Denken der Quembacher andererseits die Voraussetzungen dafür
schufen, daß schon sehr früh die Probleme der gemeinsamen Zukunft
angepackt werden konnten. Der Bau der neuzeitlichen Wasserversorgungsanlage
(l95l). Der Bau einer Mittelpunktschule mit den Neukirchenern
zusammen (1961), die heute als zentraler Kindergarten genutzt wird,
Anschluß an eine zentrale Kläranlage in Bonbaden (l970). Die Ausweisung
des jeweils erforderlichen Baulandes, Bau eines Dorfgemeinschaftshauses
durch die evangelische Kirchengemeinde unter finanzieller
Beteiligung der Gemeinde Schöffengrund und vieles andere sind
sichtbarer Ausdruck für das Bemühen, den Wohnwert der Gemeinde
ständig zu heben.
Im Jahre 1972 haben die Niederquembacher mit
den Oberquembachern, den Laufdorfern, den Schwalbachern, den Nieder-
und Oberwetzern zusammen die Gemeinde Schoffengrund geschaffen
(offizielles Datum des Zusammenschlusses ist der 01.01.72). Eine
Gemeinde, deren Infrastruktur sich durchaus sehen lassen kann, eine
Gemeinde, in der ein vielfältiges Vereinsleben blüht, in der aber
auch Raum für die Bewohner der einzelnen Ortsteile bleibt, sich
ihre Eigenheiten zu bewahren. Dabei wird den Quembachern nachgesagt,
daß sie es immer gut verstanden haben und verstehen Feste zu feiern,
sich selbst ein bißchen zu verulken und dem Leben seine schönen
Seiten abzugewinnen.
Nicht von ungefähr kommt es daher auch, daß
sie von ihren Nachbarn als die "Guggugger" besungen werden. Auf
diesen Bereich der Quembacher Geschichte kommen wir an einer anderen Stelle
noch zurück.
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